Stefanie Hanssen hat einen Laden, in dem sie edle Parfüms kreiert. Einige duften nach Berlin, Hamburg, München - andere sogar nach Autos. Eine Duftprobe.

Diese außergewöhnliche Erfolgsgeschichte beginnt mit einem bis heute ungelösten Geheimnis. Es führte unter anderem dazu, dass eine 86-jährige Frau aus Wanne-Eickel in der Zimmerstraße für eine Italienerin gehalten wird, obwohl sie eigentlich aus Ostpreußen stammt. Und dass ihre Enkelin immer häufiger in Grasse zu tun hat.

Stefanie Hanssen saß in der Philharmonie und war total abgelenkt von der Musik. Ihre Sitznachbarin roch so unglaublich gut. Sollte sie einfach fragen, welcher Duft das war, der so betörend wirkte? Am Ende tat sie es nicht. Die Schüchternheit siegte, und bald nachdem die letzten Klänge des Konzerts durch den Raum geweht waren, verschwand die Unbekannte für immer.

Es gab keine Möglichkeit mehr, den Namen des Dufts zu ergründen. Der Duft ließ sie trotzdem nicht los. Und so machte sie sich auf die Suche. Zuerst ging sie ins KaDeWe, beschrieb genau, was sie gerochen hatte, und konnte das dazu passende Parfüm doch nicht finden. Weiter suchte sie, bis ein Freund sie mitnahm in die vielleicht kleinste Parfümfabrik der Welt, zu Herrn Lehmann in die Kantstraße. Der kreiert in dem Geschäft mit immerhin fast 90-jähriger Tradition individuelle Parfüms und führt auch historische Düfte in seinem Laden, der mit einer Theke aus den 50er Jahren und den Seidenblumen so reich an Patina ist. Aus dem einen Gespräch wurden mehrere, die Faszination wurde größer.

Mit Schnupperkursen zum Lieblingsparfüm 
Stefanie Hanssen, verheiratet mit dem Klassik-Rezensenten dieser Zeitung, machte zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Geschäftspartner Christoph Niedermeier vor allem PR für Luxushotels. Jetzt sah sie einen neuen Weg vor sich. Warum nicht einfach den Duft von Berlin einfangen und eine eigene Parfümerie aufmachen? Natürlich sollte die ganz anders sein als die von Herrn Lehmann, mit dem sie gleichwohl kooperieren wollte, denn inzwischen war ja fast eine Freundschaft entstanden. Der eigene Parfüm-Laden sollte frisch, jung und cool sein, wie die Stadt selbst. Und er sollte den Namen ihrer Großmutter tragen, die Toni Luise hieß. Das war im Jahr 2009.

Da sie Betriebswirtschaft studiert hatte, fiel es der Duft-Sucherin nicht schwer, einen Businessplan zu erstellen. Allein, in Berlin wollte man ihr keinen Kredit geben. In ihrer alten westfälischen Heimat traute man ihr mehr zu. Den Kredit von der Sparkasse konnte sie zum Staunen der Angestellten dort bereits nach drei Jahren zurückzahlen. Der neue Weg führte sie von Anfang an steil bergauf.

So wie sie selbst bei der Suche nach dem unbekannten Duft verschiedene Zutaten zusammengestellt hatte, sollten auch Kundinnen bei "Frau Tonis Parfum" im Rahmen von Schnupperkursen, ihr eigenes Lieblingsparfüm kreieren. Über 3000 Kundinnen haben so inzwischen schon ihren ganz persönlichen, unverwechselbaren Duft gefunden. Eine Redakteurin des Hochglanzmagazins "Vogue" war so begeistert, dass sie eine Geschichte über den Kurs brachte. Andere große Magazine folgten.

Schicke Flaschen im Apothekenstil
Von "Bunte" bis zum "Wall Street Journal" berichteten alle über die coolen, neuen Düfte aus Berlin. Zwar wurde die Miete in der Alten Schönhauser Straße, wo "Frau Tonis Parfum" zuerst residierte, unerträglich in die Höhe gesetzt. Der Umzug in die Zimmerstraße erwies sich aber als Glücksfall. Nahe dem Checkpoint Charlie kommen auch viele Touristen vorbei. Allerdings lebt ungefähr die Hälfte der Stammkunden in Berlin, weiß die hauseigene Kartei.

Der ganz in Weiß gehaltene Geschäftsraum wird dominiert von schlichten, aber schicken Flaschen im Apothekenstil. Hinter der Ladentheke mit kleinen Zerstäubern und Seifenstücken hängt ein großes Schwarz-Weiß-Poster von der Namensgeberin, Stefanie Hanssens Großmutter. Schon in den 40er Jahren legte diese Wert auf schicke Kleider und Düfte. "Sie ist meine Ikone", sagt die Parfüm-Gründerin heute.

Vielleicht war es auf der Messe "Capsule", die parallel zur Fashion Week lief, dass die Einkäufer auf sie aufmerksam wurden. Für den Volkswagen-Konzern sollte sie einen Duft kreieren, der zunächst an Benzin erinnert und dann weitere Duftnoten entfaltet. "Das war schwierig", sagt sie. Aber es ist gelungen. "Mémoire de Pétrole" riecht genau so.

Nachfrage wird stets größer
Zur Einführung des elektrischen Golfs wollten die Wolfsburger damit den "Abschied von der Tankstelle" zelebrieren. Ähnlich lief es mit den Düften für die drei Premium-Kaufhäuser KaDeWe, Oberpollinger München und Alsterhaus Hamburg. Zunächst lehnte Stefanie Hanssen das Ansinnen der Einkäuferinnen vom KaDeWe ab, das erschien ihr alles viel zu groß. Jetzt liegt eine Schachtel mit den drei Düften "Berlin", "München" und "Hamburg" vor ihr, und im KaDeWe gibt es ein ganzes Regal mit den Berlin-Düften von "Frau Tonis Parfum".

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