Mit der Nase fühlen

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Aufwecken, wärmen, wohlfühlen – in der Manufaktur Frau Tonis gibt es betörende Düfte, die unser Leben bereichern können.

Die Sonne strahlt über Berlin. In einer Café-Bar sitzen Menschen, unterhalten sich, lachen. Es duftet verführerisch nach gemahlenen Bohnen. Etwas weiter tummeln sich Touristen am Checkpoint Charlie. Berlins Zentrum ist ein belebter, trubeliger Ort – an dem es nach Großstadt riecht. Das gibt Energie, weckt Lebensgeister. Gleichzeitig befindet sich genau hier ein Ort, der Nase und Augen nur wenig Ablenkung oder gar Irritation bietet. Ein Ort, an dem es ganz herrlich nicht duftet. Es ist die Parfümerie „Frau Tonis“. Eine Parfümerie, in der es nicht duftet? „Erstaunlicherweise ist es bei uns ganz neutral. Es ist Teil unserer Philosophie ‚Weniger ist mehr‘. Bei uns lenkt nichts ab – nicht einmal die hübschen Blumenbouquets, die wir dekorieren“, sagt Stefanie Hanssen, Besitzerin und Seele von „Frau Tonis“. Denn die 36 Manufaktur-Parfüms nach eigener Rezeptur, die hier verkauft werden, sollen bestmöglich zur Geltung kommen. Kunden sollen die Chance haben, ihren persönlichen Duft zu erschnuppern – ganz ohne dass der sich mit anderen Gerüchen im Raum vermischt. Traumhaft schöne Lilien mit ihrem betörenden Duft müssen darum draußen bleiben. Und hier wird auch nichts versprüht. Vorsichtig und mit Bedacht werden Tropfen von Parfüms über ein elegantes Glasröhrchen auf die Haut getupft. Auf die Stelle, an der der Puls schlägt. Denn hier merkt man am unmittelbarsten, ob die Wahl des Duftes zu einem passt. Ob zitrische Noten, die beleben und pushen, oder orientalische Anklänge, die umarmen und wärmen. Und das Konzept kommt an. Längst ist „Frau Tonis“ in aller Welt so beliebt, dass die kleine Manufaktur
keine Parfüms mehr vor Ort in Berlin herstellen kann. „Die Mengen könnten wir hier nicht bewältigen. Die Parfüms, die jeweils für Frauen und Männer gleichermaßen gedacht sind, entstehen nach unseren Rezepturen im französischen Grasse. In einem wunderbaren Parfümhaus, das mir schon seit der Eröffnung 2009 hilfreich zur Seite steht,“ erklärt die ehemalige Chefin einer Beratungsagentur. Wie man ein Unternehmen führt, wusste sie, bevor sie „Frau Tonis“ zum Leben erweckte. Aber was diese eine Sache sein sollte, der sie ihr ganzes Herz und ihre Leidenschaft widmen wollte, das hat sie schließlich eines Abends in der Berliner Philharmonie entdeckt. Einem Ort, der auch Emotionen weckt – aber über die Kraft der Musik. Dort saß sie neben einer Frau, deren
Parfüm einmalig für Stefanie Hanssens Nase war. So etwas Wunderbares hatte sie zuvor noch nie gerochen: „Doch ich war nicht mutig genug, die Dame anzusprechen. Sie einfach zu fragen, welchen Duft sie gerade trägt … Ich dachte, ich würde ihn ausfindig machen können. In einer Stadt wie Berlin.“ Doch das funktionierte nicht. Statt etwas Besonderes wiederzufinden, wurden ihr die üblichen Marken und ihre Neuheiten angeboten. Alles irgendwie schon dagewesen. Alles ohne das gewisse Etwas.

Und so entwickelte sich in Stefanie Hanssen langsam die Idee, eine ganz besondere Manufaktur zu eröffnen. Eine Parfümerie für alle, die mutig sein wollen. Für alle, die nicht wie jedermann duften wollen. Seit zehn Jahren gibt es „Frau Tonis“ inzwischen, gegründet hat sie ihre Firma zusammen mit Christoph Niedermeier. Und wer unter den 36 Düften im Laden nicht fündig wird, oder einfach Spaß an Kreativität hat, kann sich dort in einem Workshop zusammen mit Experten seinen ganz individuellen Duft erschaffen. Für die eigene Nase, für das eigene Herz. Einen Duft, der mutig macht oder ausgleichend wirkt. Denn Düfte können so viel. „Sieht man Werbung für Parfüm, könnte man meinen, es sei einzig Mittel der Paarungshilfe. Diese Sichtweise finde ich sehr einseitig “, sagt die Herrin über die Düfte und lacht. Denn manchmal wecken Düfte auch Erinnerungen: Die Sonnencreme duftet so herrlich nach dem letzten Urlaub. Der Duft des Sitznachbarn in der S-Bahn beschwört Erinnerungen an das Parfüm des Exfreundes herauf – gute oder leider auch schlechte. Gerüche gelangen ungefiltert zur sogenannten Amygdala, dem Ort in unserem Gehirn, der für Emotionen und Gefühle verantwortlich ist. Nachgewiesen hat dies die Psychologin und kognitive Neurowissenschaftlerin Rachel Herz. Gerüche und Düfte haben einen immensen Einfluss darauf, dass wir Essen genießen, dass wir am Meer so wunderbar entspannen. Fehlt uns der Sinn, geht ein wichtiger Teil an Lebensqualität und an emotionalen Erinnerungen verloren, weiß Rachel Herz.

Tatsächlich ist unser Geruchssinn schon im Mutterleib vorhanden. Dort wird er geprägt. Ab dem zweiten Lebensjahr erkennen wir, dass uns Düfte beschützen können – beispielsweise vor verdorbenen Lebensmitteln. Ab dem Alter von drei nutzen wir unsere Nase umfassend. Wir können 500 Düfte unterscheiden, der französische Meister-Parfümeur Edmond Roudnitska (1905–1996) angeblich 3000! Und auch er empfand wohl den einen angenehmer als den anderen – denn wir bewerten Düfte unterschiedlich, wenn wir sie im Gehirn abspeichern. Gute Laune kann uns einen Geruch angenehmer erscheinen lassen, während Stress uns kritischer macht. Und wenn wir etwas im Wortsinn nicht riechen können, verfehlt es auch seine Wirkung auf uns. Lavendel kann dann beispielsweise nicht mehr das Mittel der Wahl sein, um sich ausgeglichener und ruhiger zu fühlen. Und wie wird man einen Duft wieder los, der die Nase nicht kitzelt, sondern reizt? „Es hilft, an Kaffeebohnen zu schnuppern“, sagt Stefanie Hanssen. Ein guter Grund, vor dem Besuch bei
„Frau Tonis“ die charmante Café-Bar aufzusuchen und sich bei einem Espresso in aller Ruhe auf das Dufterlebnis mitten im quirligen Berlin einzustimmen.

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