Das bin doch ich! Babyhaut? Frühtau? Jasmin? „Frau Toni“ in Berlin hilft bei der Suche nach dem ganz persönlichen Lieblingsduft

Seit ich mein Parfum gefunden habe, bin ich ein Snob. Ich schnüffle nicht länger in Duty-free-Shops an Flakons herum oder stürze mich auf Neulancierungen. Vielleicht handelt es sich nur um eine Phase, und in einem Jahr hat sich die Chemie zwischen meiner Haut und diesem Duft schon wieder verändert. Oder ich begegne zufällig einem anderen Geruchsabenteuer, das mich zur Untreue verführt. Bis dahin war meine einzige Sorge, dass mein favorisierter Duft aus dem Programm verschwinden könnte, ohne dass ich je ergründet hätte, was es eigentlich war, das sich so gut mit meinem Wesen mischte und mir das Gefühl einer geheimnisvollen Persönlichkeitserweiterung gab. Doch dann stolperte ich über „Frau Tonis Parfum“, Stefanie Hanßens Anlaufstelle für Geruchs-Aficionados in der Berliner Zimmerstraße, nicht weit vom Checkpoint Charlie entfernt. Dank „Frau Toni“ besteht nicht nur die Möglichkeit, einem Fetischduft ganz wissenschaftlich auf den Grund zu gehen, sondern sogar auch die Gefahr, ihm durch die eine oder andere Entdeckung abtrünnig zu werden. 26 große Apothekerflaschen stehen bereit, aus denen sich der Kunde sein Lieblingsaroma komponieren darf. Bis die persönliche Wahl in einen der hübschen eckigen Flakons abgefüllt werden kann, muss man in diesem veritablen Parfumlabor, das seinen Namen der eleganten und noch mit der Parfumwelt Marlene Dietrichs vertrauten Großmutter Stefanie Hanßens verdankt, allerdings ein wenig Zeit investieren. Ist eine Aroma-Therapie bei „Frau Toni“ doch nichts Geringeres als ein poetischer Spaziergang durch das sinnliche Unterholz der eigenen Vergangenheit. „Das riecht nach Tante Gerti!“, wundert sich ein Paar beim Schnuppern, und wenn die Sensorien nicht ganz so resolut reagieren, hilft man Neugierigen bei „Frau Toni“ gern auf die Sprünge. „Frische Wäsche“, schlägt die Duftspezialistin vor, und schon purzeln die Assoziationen: „Zitrone!“, „Babyhaut!“, „Frühtau!“, rufen die Sinne. Fast tut es mir leid, dass ich mich im Duftreich schon festgelegt habe. Bedächtig werden die zur Geruchskonservierung besonders geeigneten Kristallstopfen der Flasche herumgereicht. Ich schließe die Augen, versinke in einer leichten Trance und höre auf Intuitionen, die sich einstellen.

Jede Apothekerflasche enthält einen nicht übermäßig komplexen, um ein Hauptmotiv arrangierten Cocktail, eine Hundenase würde sich sicher nicht täuschen lassen. Doch für unsere zivilisatorisch entwöhnten Sinne können die 26 Parfumadressen im klinisch weiß getünchten Raum als Alphabet des Geruchssinns durchgehen. In jedem seiner Buchstaben halten sich wer weiß welche Erfahrungen versteckt. „Tulpe“ spricht mich an und nicht das Veilchenbouquet, das sich verbrieften Quellen zufolge Marlene Dietrichs Leinwandpartner um die Nase wehen ließen. Manche Essenzen sind zu zuckrig, andere zu schwül, beeindruckend, doch fremd in ihrer Kantigkeit ist die Verbindung von Eukalyptus und grüner Rose. Euphorisch hingegen schlagen die Synapsen bei „Akazie“ an: Ich sehe die zerzausten Bäume vor mir, deren Duft in meiner Kindheit der Elbwind mit sich trug. Dann der Höhepunkt: ein Parfum, das ein Zwilling meines Favoriten ist. Jasmin, erfahre ich erstaunt, gepaart mit Zimt und Eichenmoos. Ich erwerbe noch zwei weitere Geruchsbuchstaben, um daheim weiterzuexperementieren.

Als mich tags darauf ein Taxi zum Flughafen bringt, wendet sich der Fahrer am Ziel noch einmal zu mir um: „Ihr Parfum“, sagt er schüchtern, „das ist Jasmin, nicht wahr? Ich komme aus Damaskus, wo diese Büsche im Garten stehen, das Haus war immer voll von ihrem Geruch!“ Ich nicke glücklich. Ich trage mein Lieblingsparfum auf der Haut, und sein Geheimnis ist nun amtlich.

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